In Deutschland wird es zumindest vorerst keine Pflicht zur Corona-Impfung für alle Erwachsenen geben. Die parlamentarischen Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren teilten am Montag in Berlin mit, dass sie nun in einem ersten Schritt zunächst lediglich auf eine Verpflichtung ab 50 Jahren setzen - eine schärfere Impfpflicht für alle Erwachsenen sei im Bundestag nicht mehrheitsfähig. Für Menschen zwischen 18 und 49 Jahren soll es eine Beratungspflicht geben, außerdem soll ein Impfregister eingeführt werden.
Die neue Vorlage mit dem Kompromissvorschlag soll nun am Donnerstag im Bundestag statt der bisherigen Vorlage zur Impfpflicht für Erwachsene zur Abstimmung gestellt werden. Dort gibt es auch zwei Anträge gegen eine Impfpflicht, einen Antrag von einer Gruppe um den FDP-Abgeordneten Andrew Ullmann für eine mögliche spätere Impfpflicht ab 50 sowie einen Antrag der Union ebenfalls für eine Art Vorratsbeschluss. Von der Union und der Ullmann-Gruppe kam umgehend Kritik an dem neuen Vorstoß.
"Damit ist die allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen keineswegs ad acta gelegt" betonte SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt bei der Vorstellung des Kompromissvorschlags. Weiterhin bestehe die Notwendigkeit, möglichst alle Erwachsenen gegen das Coronavirus zu impfen.
Es sei "erforderlich, jetzt ein Gesetz zu beschließen, das wirksam ist", begründete der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen den Kompromissvorschlag. In der Wissenschaft gebe es eindeutig die Mehrheitsmeinung, "dass die Pandemie nicht vorbei ist". Das neue Modell bedeute die Entscheidung für ein abgestuftes Verfahren, sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Till Steffen.
Im einzelnen sieht die neue Vorlage vor, dass alle Bürgerinnen und Bürger ab 50 Jahren ab dem 1. Oktober einen Impfnachweis über drei erfolgte Einzelimpfungen vorlegen müssen. Alle Erwachsenen unter 50 Jahren müssen bis dahin zumindest einen Nachweis über eine Impfberatung erbringen.
Im Herbst soll der Bundestag dann über eine Ausweitung der Impfpflicht auch auf die 18- bis 49-Jährigen entscheiden. Außerdem soll rasch mit der Vorbereitung eines Impfregisters begonnen werden, auf das vor allem die Union dringt.
In den vergangenen Wochen waren Bemühungen der Impfpflichtbefürworter ab 18 gescheitert, mit der Union und der Gruppe um Ullmann zu einer Verständigung zu kommen. "Leider haben wir auf der anderen Seite keine Verhandlungsbereitschaft erlebt", sagte Schmidt.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der ebenso wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Antrag auf eine allgemeine Impfpflicht ab 18 unterstützt hat, begrüßte die neue Vorlage in Berlin als "sehr guten Kompromiss". Wer nun dagegen stimme, "riskiert erneut Lockdowns und Leid im Herbst", warnte Lauterbach.
Von Seiten der Gruppe um Ullmann hieß es dagegen: "Eine sofortige Impfpflicht ab 50 kann auf der Basis der aktuellen Datenlage nicht ausreichend gut begründet werden." Es solle zunächst die weitere Pandemie-Entwicklung abgewartet werden. Steffen wandte allerdings gegen eine Beschränkung zunächst auf einen Vorratsbeschluss ein, dass es im Herbst dann für eine Impfkampagne vor dem Winter zu spät sei.
Die Unionsfraktion bekräftigte, weiterhin keinen der "Ampel"-Anträge unterstützen zu wollen und nur für den eigenen Entwurf für einen "gestuften Impfmechanismus" zu stimmen. Der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge wertete den neuen Vorstoß lediglich als "Versuch der politischen Gesichtswahrung für Olaf Scholz und Karl Lauterbach".
Die allgemeine Impfpflicht ab 18 war zuletzt von 237 der 736 Bundestagsabgeordneten offiziell unterstützt worden. Bei der Abstimmung im Bundestag entscheidet die einfache Mehrheit.